Die 50er

Schon bald nach dem Zusammenbruch 1945 regten sich Stimmen, den Bürgerverein wieder ins Leben zu rufen.  Dieser Wunsch wurde insbesondere dann immer laut, wenn es Goldhochzeiten zu feiern galt.  Die alten Vorkriegsaktivisten des Bürgervereins zögerten jedoch, wieder die Initiative zu ergreifen.  Sie hofften auf jüngere Kräfte, hatten aber damit keinen Erfolg.  So kam es, daß der Bürgerverein Hilden-Nord erst 1951 wieder tätig wurde, während einige andere im Dritten Reich ebenso aufgelöste Bürgervereine schon vorher neugegründet wurden.  Auf der Meide hatte sich zudem 1951 ein eigener Bürgerverein (Hilden-Meide) gebildet.  Der Bürgerverein Hilden-Nord begrenzte daraufhin in der Neugründungsversammlung am 9. Januar 1951 im "Kleefer Hof" sein Tätigkeitsfeld- auf das Gebiet um die Hochdahler Straße, westlich bis zur Ecke Nordstraße-Bogenstraße und bis zur Ecke Hoffeldstraße-Augustastraße.

Der eigentliche Grund, sich zunächst einmal abwartend zu verhalten, war wohl darin zu suchen, daß man wissen wollte, wie die politischen Parteien, die im Rathaus die Geschicke der Stadt in die Hand genommen hatten, zu den Bürgervereinen ständen.  Man erwartete von dieser Seite her einen Anstoß.  Der Stadtverordnete Julius Kraut (SPD) ermunterte dann auch zur Neugründung.  Über seinen Auftritt in der Gründungsversammlung schrieb die Hildener Zeitung am 11.  Januar 1951: "Stadtv.  Kraut ging in kurzen Ausführungen auf sein persönliches Verhältnis zum Stadtverordnetenmandat und das Verhältnis des Stadtverordneten zum Bürgerverein ein.  Zunächst gab er seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Wiedergründung vollzogen sei.  Er erblicke darin den Beweis für das Bestehen kommunalpolitischen Interesses, das man bisher vermißt habe.  Stadtv.  Kraut bezog sich darauf, daß er für diesen Stadtteil als Kandidat aufgestellt und auch gewählt worden sei.  Für sein Wirken im öffentlichen Leben bezeichnete Stadtv.  Kraut die Sorge um das Allgemeinwohl als die wichtigere Triebkraft als die Zugehörigkeit zu einer Partei.  Zur Vertretung der gerechten Belange der Nordstadt werde er stets die ihm mögliche Hilfestellung leisten, und er werde sich bemühen, für die Nordstadt das Bestmögliche im Rahmen der allgemeinen Kommunalpolitik herauszuholen.  Zu diesem Zweck müsse man Hand in Hand arbeiten.  Auf die Bedeutung der Stadtvertretung im allgemeinen eingehend sagte Stadtv.  Kraut, daß die Gemeinde nach dem Gesetz heute so verwaltet werde, wie die Bürger es wünschen.  Man müsse dann natürlich die Möglichkeit wahrnehmen, seine Anregungen vorzubringen und durch die politische Vertretung in Verbindung mit dem neuen Verein nach entsprechenden Erfolgen streben.  Seitdem es keinen Maulkorb mehr gebe, solle man auch ergiebigen Gebrauch von der Möglichkeit der kommunalpolitischen Interessenvertretung machen".  In geradezu klassischer Formulierung hatte Stadtverordneter Julius Kraut damit das Verhältnis und Zusammenspiel von Stadtverordnetenversammlung (Rat der Stadt) und Bürgerverein in einer demokratischen Gemeinde zum Ausdruck gebracht.

n der Neugründungsversammlung wurde folgender Vorstand einstimmig gewählt:

 

1. Vorsitzender: Wilhelm Ungermann

2. Vorsitzender: Erich Sieper

Schriftführer: Karl  Altenbach

Kassierer: Heinrich von der Mohlegraft

Beisitzer: Ernst Bertram, Paul Schaaf und die Stadtverordneten der Nordstadt Julius Kraut (SPD) und Franz Klems (CDU).

 

Dem erweiterten Vorstand gehörten sodann 10 Mitglieder an, deren Aufgabe darin bestand, in den zehn gebildeten Straßenbezirken die Mitgliedsbeiträge zu kassieren und die Wünsche, Anregungen und Beschwerden der Bürger entgegenzunehmen.  Sie trugen in den Vorstandssitzungen die Schäden und Mängel an Straßen und Wegen und insbesondere die schlechte Straßenbeleuchtung vor.

      Der Norden war damals in den Abend- und Nachtstunden in Finsternis gehüllt.  Um jede Straßenlaterne wurde erbittert gekämpft.  Von Straßen im eigentlichen Sinne konnte keine Rede sein.

      Notdürftig flickte das Tiefbauamt noch immer die vielen Schlaglöcher in den unbefestigten Fahrbahnen mit Kies aus.  Es gab kaum Gehwege und erst recht keine Bürgersteige mit Plattenbelag.  Nur langsam ging der Bau von Schmutzwasserkanälen voran.  Straßen- und Kanalbau und die Straßenbeleuchtung waren fast zwei Jahrzehnte Dauerthemen und Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen in allen Bürgerversammlungen, Sitzungen und Besprechungen des Bürgervereins.  Im Straßenbau wurde es aber besser, als der damalige Leiter des Tiefbauamtes Heinz Bosbach zu einer "Leichtbauweise" überging, die dann von der städtischen Straßenbaukolonne mehr und mehr verbessert wurde.  Noch heute sind einige Straßen in der Nordstadt in Leichtbauweise befestigt.  Diese unbeschreiblichen Mißstände im Tiefbau waren nicht etwa auf Kriegsschäden zurückzuführen.  In dieser Hinsicht wirkte sich der Sparsamkeitsfanatismus aus, von dem die Hildener Kommunalpolitik schon zur Kaiserzeit, dann aber auch während der Weimarer Republik und auch noch im Dritten Reich befallen war.  Man hatte den Ehrgeiz, möglichst die am wenigsten verschuldete Stadt in Deutschland zu sein, mußte das aber mit einer geradezu trostlosen Ausstattung vieler öffentlicher Einrichtungen bezahlen.

      Einen breiten Raum in der Vereinsarbeit nahmen wiederum die Goldhochzeiten ein.  Man feierte sie zwar nicht mehr so aufwendig wie vor dem Kriege, aber solange es der Verkehr noch zuließ, wurden auch noch gelegentlich am Vorabend des Goldhochzeitstages Fackelzüge der Bürgerschaft mit Ständchen der Vereine veranstaltet.  Glückwünsche des Bürgervereins wurden auch wieder bei Berufsjubiläen und Geburtstagen betagter Bürger übermittelt.  Im Januar 1952 fand eine besondere Ehrung des ältesten Mitbewohners der Nordstadt Anton Meisters statt, der zwar seinen 100.  Geburtstag noch erlebte, aber vor Vollendung des 100.  Lebensjahres verstarb. 

      Auch in Todesfällen wurde kondoliert.  In dieser Hinsicht wahrte der Bürgerverein seine Tradition, und Wilhelm Ungermann gab wie immer in seinen Jahresberichten den "Familiennachrichten" einen breiten Raum.

      Auch die in der Vorkriegszeit so sehr gepflegte Geselligkeit kam im Bürgerverein wieder zum Zuge. 1951, 1952 und 1953 wurden in den Sommermonaten Vereins- und Kinderfeste gefeiert, an denen bis zu 200 Kinder teilnahmen.  Am 24. Oktober 1953 wagte der Verein im Reichshofssaal einen großen Unterhaltungsabend, der sehr gut besucht wurde und auch vom Programm her großen Anklang fand.  Mit dem Martinsverein Meide wurde auch 1953 wieder ein gemeinsamer Martinszug in der Nordstadt veranstaltet, dem jedoch 1954 ein gesamtstädtischer Zug folgte.  Auch dem Karneval blieb der Verein zugetan. 1952 hatte sich zwar im Norden eine eigene Karnevalsgesellschaft "Blau-Weiß" gegründet; der Bürgerverein beteiligte sich aber an den Rosenmontagszügen in der Stadt mit einigen Wagen, auf denen besonders die schlechten Straßenverhältnisse im Norden angeprangert wurden.

      Bei der Wiedergründung 1951 traten etwa 100 Mitglieder dem Bürgerverein bei.  In kurzer Zeit waren es 300 Mitglieder.  Damit wurde der Bürgerverein der größte der Stadt.  Am 7. März 1954 gab sich der Verein eine neue Satzung, die 1963 und 1966 ergänzt wurde.

      Von 1954 an traten in den Vordergrund der Vereinsarbeit die mit der Stadtplanung, dem Schulwesen und der Wohnungsnot zusammenhängenden Fragen und Probleme.  Bevor jedoch darauf eingegangen wird, soll noch eine Episode in der Geschichte der Hildener Bürgervereine festgehalten werden, die leicht zur Aufgabe ihrer parteipolitischen Neutralität hätte führen können.  Was den Anlaß gab, liest sich im Protokollbuch des Bürgervereins über die Vorstandssitzung vom 15.  Januar 1952 wie folgt: "Des weiteren wurde mitgeteilt, daß in letzter Zeit Stimmen aus einzelnen Parteien laut geworden seien, die ausdrückten, die Bürgervereine seien überflüssig, ihre Arbeit wäre durch die Parteiausschüsse besser zu erledigen.  Wahrscheinlich wird eine baldige Zusammenschließung der Bürgervereine in Hilden die Antwort auf solche Behauptungen sein."

      Nun hatte sich zu gleicher Zeit in Hilden eine Bürgerinitiative mit dem Ziel gebildet, zur Kommunalwahl 1952 unabhängige, nicht parteigebundene Kandidaten aufzustellen.  An den Besprechungen des vorbereitenden Komitees nahmen Vertreter der Hildener Bürgervereine verschiedentlich teil.  Die Vorstände der Bürgervereine kamen schließlich auch zusammen und beschlossen, sich zu einer Dachorganisation zusammenzuschließen und unabhängige Bürgerschaftsvertreter zu den kommenden Kommunalwahlen zu nominieren.  Der Vorstand des Bürgervereins Nord beschloß, dann am 12.  März 1952, diesen Punkt in der kommenden Jahreshauptversammlung zur Sprache zu bringen.  Als die "Unabhängigen" sich aber zu einer neuen Partei, der Freiwilligen Wählervereinigung, formierten, zogen die Bürgervereine es vor, ihre parteipolitische Neutralität zu wahren und sich aus der Parteipolitik herauszuhalten.

      Nach der Kommunalwahl am 9. November 1952 zog die Freiwillige Wählervereinigung mit 6 Stadtverordneten in den neuen Rat der Stadt ein, was zu einem Machtwechsel im Rathaus führte.  Die CDU erhielt 11 Sitze, die SPD 8, die FDP 3 und die KPD 2. In der Ratssitzung am 21.  November 1952 wurden Robert Gies (SPD) zum Bürgermeister, Heinrich Reinartz (CDU) zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt.

      Die Funktion einer Dachorganisation hatten die Bürgervereine wohl dem unpolitischen Verkehrs- und Heimatverein zugedacht, dem der Bürgerverein Hilden-Nord nach der Neugründung wieder als erster Bürgerverein beitrat.  Wenn auch zögernd, so folgten aber die anderen Bürgervereine nach.  Der inzwischen sanft entschlafene Verkehrs- und Heimatverein wurde aber dieser Aufgabe nicht gerecht.  Die Bürgervereine ziehen es seitdem vor, von Zeit zu Zeit zu gemeinsamen Besprechungen zusammenzukommen.

      Wenn der Bürgerverein sich erstmals 1954 mit Fragen der Stadtplanung befaßte, lag dies daran, daß bis dahin dieser Aufgabe beim Rat und bei der Verwaltung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.  Zwar reichen Hildens Bemühungen um eine städtebauliche Ordnung bis in die dreißiger Jahre zurück.  Auf Grund des 1933 erlassenen Wohnsiedlungsgesetzes wurde 1937 ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der das Stadtgebiet in Wohn- und Siedlungsflächen, Gewerbe- und Industriegebiete, land- und forstwirtschaftlich zu nutzende Flächen, Grünanlagen usw. aufteilte.  Architekt Prof.  Fritz Becker von der Düsseldorfer Kunstakademie lieferte dazu einen Generalbebauungsplan.

      Er enthielt in großen Zügen Vorschläge für die Bebauung des Stadtgebietes, von denen als wesentlich festgehalten werden muß, daß die bisherige Bebauung in West-Ost-Richtung sich in eine in die freien Räume im Süden und Norden gerichtete wandeln sollte.  Unter dem Eindruck der großen Eingemeindungswelle von 1929, die Hilden unangetastet überstanden hatte, schien es wohl zweckmäßig zu sein, diese Drehung um 90 Grad von den landhungrigen Nachbarn Düsseldorf und Solingen abgewandt zu vollziehen.  Sie erwies sich auch später insbesondere im Norden nach dem Bau des Zubringers von Düsseldorf zur Autobahn in Hilden als richtig. Interessant ist auch, daß in den Plänen schon die Berliner Straße als Entlastungsstraße der Mittelstraße mit der jetzigen Trasse eingezeichnet war.  Daneben gab es noch zwei Einzelbebauungspläne, für die Siedlung Erika im Süden und für eine Kleinsiedlung im Norden.

      In den dreißiger Jahren war in Hilden im Wohnungsbau nur wenig geschehen.  Außer der Schließung von Baulücken an vorhandenen Straßen wurden im Süden die Erikasiedlung und im Norden zwei kleine Straßensiedlungen (Taubenstraße und Auf der Hübben) gebaut.  Der Krieg machte jedoch einen Strich durch diese Anfänge Hildener Stadtplanung.

      Die Nachkriegsjahre führten mit dem Zustrom von Evakuierten, Ostvertriebenen und Sowjetzonenflüchtigen zu gänzlich veränderten Verhältnissen.  Bei der Volkszählung am 17.  Mai 1939 hatte Hilden 21 861 Einwohner, bei der Volkszählung am 13.  September 1950 27 304.  Bis zum 31.  Dezember 1954 stieg die Einwohnerzahl auf 31 770.  Hilden hatte zwar nur geringe Kriegsschäden aufzuweisen, aber für einen Einwohnerzuwachs von 10 000 Personen fehlten einfach die Wohnungen.  In überfüllten Sälen und Barackenlagern, darunter zwei ehemalige Arbeitsdienstbaracken in Kolksbruch, führten Flüchtlingsfamilien lange Zeit ein elendes Dasein.

      Es mußte kräftig gebaut werden.  Der Fehlbestand an Wohnungen war mit etwa 2000 ermittelt worden.  Ein solches Volumen ließ sich mit der Vorkriegsplanung nicht verwirklichen.  Was noch schlimmer war, es gab keine Einzelbebauungspläne, die es ermöglicht hätten, nun mit der Bebauung größerer Gebiete zu beginnen.  Zu allem Unglück versagte auch noch die Verwaltung, als es darum ging, auf schnellstem Wege neues Baurecht zu schaffen.

      Am 29.  April 1950 war ein Aufbaugesetz erlassen worden, was den von unmittelbaren und mittelbaren Kriegsschäden betroffenen Gemeinden die Möglichkeit gab, sich durch Gemeindevertretungsbeschluß zur "Aufbaugemeinde" zu erklären und für die künftige Bebauung einen Leitplan (heute Flächennutzungsplan) aufzustellen.  Die Aufbaugemeinden wurden dann in besonderem Maße mit sozialen Wohnungsbaumitteln des Bundes und des Landes bedacht.  Obwohl in Hilden der Zustrom von Neubürgern überdurchschnittich war und deshalb auch ein Anspruch auf hohe Wohnungsbaugelder bestand, deren Anlegung aber aus den vorerwähnten Gründen auf Schwierigkeiten stieß, ließ man fast drei Jahre untätig verstreichen.  Es bedurfte eines energischen Drucks der Regierung und des Bürgermeisters, bis endlich 1953 der Rheydter Architekt Ludwig Hinrichs den Auftrag erhielt, für Hilden einen Leitplan aufzustellen.  Das Verfahren konnte jedoch erst 1956 zum Abschluß gebracht werden.  Im übrigen hatte der Rat sich nicht dazu entschließen können, den Beschluß, "Aufbaugemeinde" zu werden, zu fassen.  Das sollte erst nach Vorlage des Leitplanes geschehen.

      Zusätzlich hatte man den Stadtplaner beauftragt, für die Nordstadt einen Bebauungsplan anzufertigen.  Er erstreckte sich auf das Gebiet zwischen der heutigen Beethovenstraße und dem Weg von Haus Witt nach Kolksbruch.  Damals gab es im Norden weder eine Mozart-, noch Beethoven-, Schumann-, Händel- und Richard-Wagner-Straße.  Die Bautätigkeit im Norden begann auf der grünen Wiese, Mitte der fünfziger Jahre mit der landwirtschaftlichen Nebenerwerbssiedlung Kolksbruch, dem heute umgewandelten Baugebiet zwischen Schumann - und Händelstraße, und der Kolpingsiedlung an der Brucknerstraße.  Da der Süden straßenmäßig besser erschlossen war als der Norden, setzte dort die Bautätigkeit schon einige Jahre früher ein.

      Ohne diesen etwas längeren Ausflug in die Geschichte der Hildener Stadtplanung lassen sich die Aktivitäten der Bürgervereine, die Bürger über die in Aussicht genommene Stadtentwicklung zu unterrichten, nicht gebührend würdigen. 

      Den Auftakt machte der Bürgerverein Hilden-Ost mit einer Bürgerversammlung am 3. Dezember 1953, in der der 1. Vorsitzende dieses Vereins Heinz Brieden, jetziger Vorsitzender des Bürgervereins Nord, einen Vortrag über "Bauprobleme des Ostens im Rahmen der Hildener Stadtplanung" hielt.  Der Bürgerverein Ost war am 15.  Oktober 1953 wiedergegründet und Brieden, zu dieser Zeit Verwaltungsleiter des Stadtbauamtes, zu seinem Vorsitzenden gewählt worden.  Die Rheinische Post brachte am nächsten Tag über diese Veranstaltung einen ausführlichen Bericht mit der Feststellung, daß "der Redner aus seiner besonderen beruflichen Fachkenntnis die Probleme des Ostbezirks in eine umfassende Betrachtung der städtebaulichen Entwicklung Hildens überhaupt, der Gegenwartslage und der nach seiner Ansicht für das künftige Baubild notwendigen städtebaulichen Maßnahmen der nächsten Zeit darstellte.  Dabei gipfelte dieser Teil des Vortrages in der Feststellung, die Aufstellung eines Leitplanes und der dazugehörigen Bebauungspläne bedeute Hildens wichtigste komunalpolitische Aufgabe der Gegenwart überhaupt”.

      Willi Ungermann verpflichtete dann Brieden zu einem weiteren Vortrag in der Jahreshauptversammlung am 7. März 1954 mit dem Thema "Hilden-Nord das ideale Wohn- und Siedlungsgebiet der Zukunft".  Am 22.  Mai 1954 folgte ein weiterer Vortrag über "Stadtplanung und Wohnungsbau im Norden" im Bürgerverein Hilden-Meide und schließlich am 6. März 1955 nochmals im Bürgerverein Nord über "Die künftige Besiedlung der Nordstadt”.

      In den Versammlungen der beiden Nordstädter Bürgervereine wurde von dem Schuldezernenten der Stadt, Beigeordneten Heinrich Strangmeier, ein zweites Referat über die mit der Stadtplanung eng zusammenhängenden Schulprobleme der Stadt gehalten.  Hilden litt in den Nachkriegsjahren unter einer entsetzlichen Schulraumnot.  Sie beschwor mehr als der gleichzeitig bestandene Lehrermangel heftigste Auseinandersetzungen zwischen Bürgerschaft, Rat und Verwaltung herauf, die größtenteils auf der Bühne der Bürgervereine ausgetragen wurden.

      Auch hier ist zum Verständnis ein kurzer historischer Rückblick unerläßlich.  Bis zum Jahre 1900 blieb in Hilden die Schulbautätigkeit ständig hinter dem wachsenden Bedürfnis zurück.  Um die Jahrhundertwende bis in die ersten Kriegsjahre 1914/15 ist dann ein bewundernswertes Schulbauvolumen mit den großen Schulen an der Gerresheimer Straße, Augustastraße und im Westen an der Steinhofstraße geschaffen worden.  Es stand zeitweise mehr Raum als benötigt zur Verfügung.  Dann tat sich fast ein halbes Jahrhundert lang im Schulbau gar nichts mehr.  Nach dem Zusammenbruch 1945 ergaben sich bei den wenigen alten in der baulichen Unterhaltung zudem völlig verwahrlosten Schulen aus der mit dem rapiden Einwohnerzuwachs ständig zunehmenden Schülerzahl katastrophale Verhältnisse.  Schon 1950 hätte gebaut werden können.  Aber dann ließ man zunächst zwei Baracken an den alten Volksschulen an der Richrather Straße errichten, so daß erst 1952 mit dem Bau einer achtklassigen Volksschule am Wiedenhof in der Südstadt begonnen wurde.

      Am schlimmsten sah es im Norden aus.  Hier gab es im Grünewald an der oberen Gerresheimer Straße eine dreiklassige über 100 Jahre alte Schule.  Was darüber der Kleefer Bürger Edmund Kurschildgen in seinen "Jugenderinnerungen" von 1880/90 schreibt, liest sich wie ein Wintermärchen. 

      Bis zur Schule am Grünewald hatten wir zum Kleef länger als eine halbe Stunde zu gehen; im Winter, wenn Schnee lag, dauerte es noch länger.  Damals gab es viel mehr Schnee als heute.  Oftmals mußte erst ein Weg durch den Schnee geschaufelt werden.  Die Bauern im Loch spannten ihre Pferde vor eine Art Schneepflug und wühlten so eine Bahn durch den Schnee.  Wenn das Wetter allzu schlecht war, gingen wir überhaupt nicht zur Schule.  Das kam mitunter mehrere Tage hintereinander vor.  Die Lehrer ließen das so hingehen und sagten nichts darüber.  Im Sommer liefen wir meist barfuß, sonst gingen wir auf Blotschen zur Schule."

      Eine zweite zweiklassige Schule befand sich in der Gerresheimer Straße an der Stelle, wo heute die Filiale der Stadtsparkasse steht.  Es gab zunächst keinen anderen Ausweg, als den bei Schülern, Lehrern und Eltern gleichermaßen verpönten Schichtunterricht einzuführen.  Später gab die Kirchengemeinde St. Marien noch einen Raum für Unterrichtszwecke zeitweise ab.

      Schon bei den ersten Planungsüberlegungen für die Nordstadt stellte sich die Notwendigkeit des Baus von zwei Schulen heraus.  Stadtplaner Hinrichs entwarf den Bauplan für die Schule an der Beethovenstraße.  Um das Bauvorhaben zu forcieren, empfahl Beigeordneter Strangmeier dem Bürgerverein in der Jahreshauptversammlung am 6. März 1955 eine Kommission zu bilden und zur Regierung zu fahren, um dort die Schulsorgen und -nöte des Nordens vorzutragen.  Dieser Anregung wurde gefolgt, die Kommission verhandelte mit der Regierung, und Ende 1955 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden.  Am 6. Juli 1957 wurde dann die Schule in einem feierlichen Akt eingeweiht.

      Erst acht Jahre später, am 11.  September 1965, wurde dann die zweite Volksschule an der Richard-Wagner-Straße (Architekt Dipl.-Ing. Herbert König, Düsseldorf) ihrer Bestimmung übergeben.  Sie erhielt damals den Namen "Adolf-Kolping-Schule".  Mit der Verlegung der katholischen Grundschule in die Schule an der Beethovenstraße ging auch der Name auf das Schulsystem an der Beethovenstraße über.

      Über die Vorträge, die Strangmeier und Brieden in den Bürgervereinen hielten, berichteten die in Hilden erscheinenden Tageszeitungen, Hildener Zeitung (Redakteur Rudolf Funck), und Rheinische Post (Redakteur Dr. Herbert Büren), sehr ausführlich, so daß sich die Bürger über Stadt- und Schulplanung gut unterrichten konnten.  Für die Referenten gab es aber manchen Ärger in der Verwaltung; denn diese Form der Unterrichtung der Bürgerschaft - über die Bürgervereine - war sicherlich ungewöhnlich und in dieser Art auch wohl einmalig.

      Bei der intensiven Beschäftigung mit der Stadtplanung vergaß der Bürgerverein nicht, sich auch weiterhin der schlechten Straßenverhältnisse anzunehmen.  Hartnäckig wurde um die schrittweise Anlegung von zunächst nur mit Asche befestigten Bürgersteigen an der Hochdahler Straße gekämpft.  Hierbei erwarb sich der Bürgerverein Verdienste, als er sich bei den Anliegern für die Abgabe von Straßengelände einsetzte.  Beklagt wurde auch der schlechte Zustand der Stadtwaldwege.  Es dauerte mehrere Jahre, bis ein Engpaß in der Taubenstraße bei der Einmündung in die Hochdahler Straße beseitigt wurde.  Am heutigen Straßenzustand gemessen war das eine ganz andere Welt, in der man damals lebte.

      Als der Zubringer von Düsseldorf zur Autobahn in Hilden dem Verkehr übergeben wurde, waren die Straßenkreuzungen Gerresheimer Straße, Birken und Hochdahler Straße nicht geschützt.  Nachdem sich mehrere schwere, teilweise tödliche Unfälle ereignet hatten, forderten die beiden Bürgervereine Meide und Nord in einer gemeinsamen Protestversammlung am 26.  September 1956, die Kreuzungen durch Blinklichter zu sichern oder Straßenbrücken zu bauen.  Ein Jahr später wurden diese Maßnahmen durchgeführt, in den Birken sogar eine Brücke über den Zubringer gebaut.

      1957 hatte Hilden unter einer in diesem Ausmaß noch nicht erlebten Hochwasserkatastrophe zu leiden.  Auch die Bäche im Norden waren über die Ufer getreten und hatten Straßen, Hauskeller, Äcker und Wiesen überflutet.  In einer eigens dafür einberufenen Versammlung erfaßte der Bürgerverein die eingetretenen Schäden.

      Mit großer Freude begrüßte man die Einrichtung einer Bushaltestelle "Kleef" für die Autobusschnellinie Düsseldorf-Solingen.  Es war das Ergebnis langwieriger Verhandlungen mit der Rheinbahn.

      Bei alledem wurde auch in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre im Bürgerverein tüchtig gefeiert.  Im Herbst 1955, 1957 und 1959 gab es drei Varieteabende, einer im Reichshof und zwei im Vereinslokal "Kleefer Hof", im September 1956 wieder ein Kinderfest und im Oktober 1958 ein Gastspiel der Hohensteiner Puppenspiele für groß und klein. Jedes Jahr von 1956 bis 1960 wurde im "Kleefer Hof" ein Karnevals-Abend veranstaltet. 

      An den Rosenmontagszügen in der Stadt beteiligte sich der Verein mit Wagen, um deren Ausschmückung sich Toni Kanicki  besonders verdient machte.  Bei den Vereinsfesten knüpfte der Bürgerverein Nord enge Verbindungen zu dem im Süden der Stadt beheimateten Männergesangverein "Germania" an, der mit Sang und Klang sehr zur Stimmung beitrug. 

      Rektor Otto Vogelsang, der "Stadtwaldwanderer mit der Kamera", erfreute an Vereinsabenden von Zeit zu Zeit die Mitglieder mit herrlichen Naturaufnahmen.  Rechnet man noch die goldenen Hochzeiten und sonstigen Familienfestlichkeiten, Berufsjubiläen usw. hinzu, bei denen der Bürgerverein stets kräftig mitfeierte, so verdient es Bewunderung, wie das alles geschafft und verkraftet werden konnte.

      Es sei deshalb auch der Mitglieder gedacht, die in diesen Jahren im Vorstand des Bürgervereins tätig waren.  Hauptakteur war wie ehedem der 1. Vorsitzende Willi Ungermann, der 1957 CDU-Ratsmitglied wurde und dadurch an Einfluß gewann, was dem Bürgerverein sehr zugute kam. 1954 wurde Paul Schaaf 2. Vorsitzender. 

      Dieses Amt übernahm nach dessen Tod 1957 Paul Klapperich, der vorher die Kassengeschäfte geführt hatte.  Kassierer wurde nun Toni Kanicki.  Albert Großilbeck übernahm 1952 das Amt des Schriftführers, das er mit großer Sorgfalt ausführte.  Es bereitet Freude, in dem Protokollbuch seine mit gestochener Handschrift niedergeschriebenen Protokolle zu lesen.  Als Beisitzer wurden 1954 Herbert Hochkeppel und Hans Schwan gewählt, 1954 Franz Urbschat, Julius Kraut, Edmund van Kempen und Wilhelm Günther.  Als 2. Schriftführer war ab 1957 Herbert Hochkeppel jr. tätig.